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1998-10-18 : MedienKultur

Armer Wald - Am Kiosk für die Info-Elite I

von Q

Tomorrow, noch mehr Focus auf Morgen

Auf was man nicht alles kommt, wenn man täglich fünf Stunden im Zug sitzt. Zum Beispiel auf die Idee, sich doch mal eine Zeitschrift zu kaufen, deren Titel so richtig nach Zukunft riecht: Tomorrow.

Doch was ist das? Da steht doch recht unscheinbar noch ein "Help for" über dem Titel! Hilfe für Morgen? Hat da schon wieder die Milleniumsangst zugeschlagen?

Na gut, denkt man sich, der Morgen stirbt nie, und die Titelgestalt wird uns wohl auch noch einige Zeit begleiten, es ist Boris Becker. Der soll Hilfe für Morgen sein? Auch „Tomorrow“ scheint da nicht ganz sicher, denn dort steht: "Boris Becker: Mann mit Zukunft?"

Da bis zum Zielbahnhof noch einige Kilometer zurückzulegen sind, blättert man ein wenig hinein und fragt sich, wo denn die Artikel sind. Geübte Focus-Leser suchen diese in der Nähe von Tortendiagrammen, aber hier finden sich nicht mal diese bunten Wegweiser, dafür viele Photos, die irgendwie ein Gefühl rüberbringen sollen.

Dem Gefühl nach sind sie recht überflüssig. Nach dem zweiten Durchstreifen findet sich eine erste Erklärung, die selbstverständlich mit "Blick nach vorn" übertitelt ist und der wirklich drängenden Frage nachgeht, "Warum wir Tomorrow machen", diese aber unbeantwortet läßt.

Und dann steht da wieder das Unvermeidliche: "Kommen Sie mit uns , wir führen Sie von heute an in die Welt von morgen." Wie sinnvoll solche Aussagen sind, beleuchtete schon der Intergalactic Messenger vom 03.09.98 auf den hier verwiesen sei.

Na gut, irgendwo da drin muß sich ja der Inhalt, beziehungsweise der Content, versteckt halten. Im Schnellen Vorlauf: Vor Boris Becker liegt noch eine aufregende Karriere. Diverse Gegenstände, die cool sind (diese Seiten müssen in Livestyle-Magazinen einfach sein). Ein Gruppenfoto von Medientycoons mit belanglosem Text. Kurzmeldungen, Kolumne von Joseph Weitzenbaum (Künstliche Intelligenz), Kolumne von (natürlich) Bill Gates, Kurzmeldungen, Internet zum Ausklappen, Wie komme ich ins Internet - der hunderttausendste Ratgeber plus Vergleich der Online-Provider-Preise, das übliche Interview mit einem CyberCop wg. Kinder-Porno, hintendran, wie passend, ein Bericht über Leute, die sich im Internet öffentlich zur Schau stellen, Kurzmeldungen, Ratgeber Notebooks, die Tricks der Wahlpropheten, Kurzmeldungen und Ratgeber, unvermeidlicherweise Michael Schumacher, Computerspiele, Fernsehen, Kurzmeldungen, darf ich aufhören?

Es dürfte deutlich geworden sein, daß sich auch Tomorrow gnadenlos als Nutzwert-Magazin versteht, an die Leser denken, hallt es durch meinen Kopf. Alles, was ich sonst in fünf anderen Magazinen nicht lesen würde, gibt es hier versammelt zum Preis von fünf Mark.

Unnützen Personenkult um Bill, Boris und Schumi, der hunderterste Abklatsch der Gewußt wie-Spalten der Computerpresse, Stars und Sternchen aus TV und Kino und ein aus PM geklauter Artikel über das Leben im Weltall. Viel Lärm um nichts, wie ein englischer Bühnenautor einst sagte. Aber wenn Sie wissen wollen, wie Sie Viagra übers Internet bestellen, sollten Sie dieses Magazin abonnieren.

konr@d revisited

Vor einigen Monaten verglichen wir die amerikanische Zeitschrift Wired mit dem deutschen Stern-Ableger Konrad. Inzwischen sind zwei weitere Ausgaben erschienen und wir haben uns angesehen, in welche Richtung die Entwicklung geht:

Halten wir uns zunächst mit den Äußerlichkeiten auf, denn tatsächlich müssen wir weiter auf einen Konrad warten, der ein männliches oder sächliches Titelmotiv aufweist. Diesmal ist's zum einen ein Frauenkopf mit übergezogenem grafischen Netzlinien (3/98), zum anderen ein weiblicher Oberkörper, dessen Haut per Bildbearbeitung mit einem Platinenmuster überzogen wurde (Okt./Nov. 98).

In Heft 3/98 steht neben den bewährten Bildstrecken in Stern-Manier diesmal ein interessanter Artikel darüber, wieviel man durch Tricks (Social Engineering) und Internet über eine fremde Person herausfinden kann, wie man an seine Handy-Mailbox kommt und einiges anderes erschreckendes.

Der Rest vom Heft gehört der Technologie und ihren Göttern, Bill Gates, Steve Jobs, dem neuen Handy-Netz Iridium und dem neuen Apple iMac, sowie der brennenden Frage, wie man Musik aus dem Internet auf eine CD bringt. Ein ziemlich rundes Heft.

Inzwischen scheint man sich bei Konrads zu einem regelmäßigen Erscheinungsrhythmus durchgerungen zu haben, wir lesen die Ausgabe Oktober/November, die allerdings schon Ende September im Handel war. Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Ein Bericht über Berlin 2.0, die Planungen und Wirklichkeiten unserer frisch herausgeputzten Hauptstadt, die bemausbaren Simulationen der neuen Bauten. Ein größerer Beitrag über Chips, die ihre Nachfolger designen, ganz ohne daß ihnen ein Mensch auf die Finger guckt. Entwicklung nach evolutionären Algorithmen also, kein ausgetretenes Thema, bravo! Leitfaden gegen Informationsüberflutung und ein netter Beitrag über Reutlingen, die Stadt, die zwei Wochen ohne Telefon auskommen mußte. Schon wieder ein Bericht über junge deutsche Unternehmer, die es in den Staaten geschafft haben, einer über den Menschen vor dessen Kinokritiken die Studiobosse zittern, weil er in jeder Preview seine Späher hat und viele unzufriedene Hollywoodianer ihm ihren Frust schildern. Und vielerlei anderes, was man gerne mal gelesen hat.

Dazu kommen die bewährten Kolumnen von Peter Glaser, der in der aktuellen Ausgabe auch die Geschichte Karl Kochs erzählt, der zu einer Hacker-Clique gehörte, die Mitte der achtziger Jahre in allen Netzen ihr Unwesen trieb, der an Verfolgungswahn litt und sich nach der Aufdeckung seiner Gruppe selbst tötete. Anlaß dieses Berichts ist auch, daß Karl Kochs Leben verfilmt wurde und dieser Film Anfang '99 ins Kino kommt. Der Film-Titel "Dreiundzwanzig" verweist auf die Verschwörungstrilogie "Illuminatus", deren Geschichte Karl Koch für bare Münze nahm.

Könnte sein, daß Konrad seinen Stil gefunden hat, wir berichten weiter.

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