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1999-08-13 : MedienKultur

Wir sehen, daß wir nichts sehen. Und nicht mal das!

von Q

Jetzt ist es also schon vorbei, dieses letzte große Ereignis des Jahrhunderts, fast so groß wie die Wahl von Gerhard Schröder zum deutschen Bundeskanzler!

Die Sonne hat sich "gschwind", wie unser Stuttgarter Reporter meldete, hinter dem Mond versteckt und kam mit frechem Schein wieder hinter demselben hervor. Selbiger Reporter übrigens hat davon, bis auf ein wenig Dunkelheit, nichts mitbekommen.

Eine dicke Wolkendecke, aus der es zeitweise auch regnete, bedeckte die knappe Million Stuttgarter und wahrscheinlich eine weitere Million Schaulustige, die sich dort im Kernschatten auf einen "Tag der schwarzen Sonne" (ZDF) gefreut hatten. (Und damit dem nicht unbedingt für seinen Tourismus-Industrie bekannten Stuttgart eine Bettenknappheit, nein, nicht in den Krankenhäusern, sondern in den Hotels beschert hat.)

Hatten sich am Tag vor dem Großereignis noch die Leute die Sonnenfinsternisbrillen aus den Händen gerissen, war der Umgang mit den Brillen sehr gesittet, so umsichtig gar, daß am nächsten Tag statt der befürchteten tausenden nur ein einziger Mensch ungeschützt in die Sonne gesehen und infolgedessen an Sehkraft eingebüßt hatte. Tatsache ist, daß es diese Meldung in die Radionachrichten geschafft hat, allerdings blieb uns der Grund unklar. War es die Erleichterung, daß es nur einer war? Oder wollte man darauf hinweisen, daß es in unserer mediendurchdrungenen Gesellschaft tatsächlich noch jemanden gibt, den der monatelange Hype nicht erreicht hat?

Diese "Sofibrillen" waren übrigens extra für diese Sonnenfinsternis angefertigt. Wenn Sie die nächste Sonnenfinsternis im Jahr 2001 in Südafrika bewundern wollen, müssen Sie eine speziell dafür angefertigte Brille erwerben. Lassen Sie sich da auf kein Risiko ein, denn über Afrika scheint die Sonne mit anderer, stärkerer Intensität und vor allem in einem anderen Winkel. Spenden Sie Ihre Brille nicht irgendwelchen dubiosen "Hilfsorganisationen", die unter dem Vorwand agieren, die Brillen in Afrika auszuteilen.

All denen, die den vorigen Absatz für bare Münze genommen haben, empfehlen wir außerdem die Anschaffung einer Polarlicht-Brille.

Ein sinnvollerer Vorschlag zur Weiterverwendung Ihrer Brille: Ziehen Sie sie an einem sonnigen Tag auf, schauen Sie in die Sonne und werden Sie sich des unwahrscheinlichen Zufalls bewußt, daß Sie auf einem Planeten leben, der exakt im richtigen Abstand um die Sonne kreist, so daß Sie weder erfrieren noch überkochen. Das ist das wahre Großereignis. Es hält sich nicht an einen Jahrhundert- oder gar Jahrtausendwechsel. Es ist immer da. Auch ohne Medienzirkus.

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